Technische Mechanik

Freitag, 12. Februar 2010

Statik: Basics

Statik

Als erstes muss man sich einmal darüber klar werden, wozu der ganze Kram überhaupt gut ist. In der Statik (etwa die erste Hälfte des Skripts) betrachtet man Systeme, die im Gleichgewicht sind. Ja ich weiß, das hat der Prof in der Vorlesung bereits zig mal erwähnt. Dennoch ist es wichtig, dass man sich kurz Zeit nimmt und sich vor Augen führt, was das bedeutet, denn das ist die Grundlage um alle Übungs- und auch Prüfungsaufgaben zu lösen. Was bedeutet das also ?

Das System, ist das Ding was wir in unserer Aufgabe betrachten. Das Skript bietet das eine nette Auswahl, angefangen von einer Leiter, die an einer Mauer lehnt, über einen Tellerstößel (ja, manchmal muss man bei Wikipedia nachschauen, was das Teil in der Aufgabe darstellen soll) bis hin zur Knickhebelpresse (es wird immer besser...). Auf dieses System wirken an irgendwelchen Stellen irgendwelche Kräfte (jemand zieht dran, steht drauf, pustet dagegen, wie auch immer), wobei es für uns absolut egal ist, ob an dem System dreihundert Kräfte oder gar keine Kraft wirkt. Kühne Behauptung ? Ich kann das beweisen ! Wir haben ja angesprochen, dass die Systeme, die wir betrachten, im Gleichgewicht sind. Das kann sich in zweierlei Hinsicht äußern: Sie bewegen sich keinen Millimeter oder aber, Sie bewegen sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit. Wer das mit den Kräften versteht und für wen F=m*a nicht neuhebräisch aussieht, der darf den nächsten Absatz überspringen und ab dem fettgedruckten Hinweis weiterlesen. Wer allerdings in der Schule kein Physik hatte / geschlafen hat / "oh mann, das ist schon so lange her" etc. und den Ausführungen von Menzel, Maurer oder Rebhan im zweiten Semester noch nicht folgen durfte/wollte sollte sich den nächsten Absatz aufmerksam zu Gemüte führen: Wichtige Basics !

Also mal von Anfang an: Wir stellen uns einen Ort irgendwo im Weltall vor, weit weg von Planeten, Sternen, Kometen oder sonst was. Dort gibt es (näherungsweise) keine Gravitation, keinen Luftwiderstand oder keine Reibung und es ist weit und breit nichts, wo wir anstoßen könnten. Das ist eine tolle Voraussetzung, denn damit müssen wir uns (vorerst) überhaupt keine Gedanken um irgendwelche Umwelteinflüsse machen (das kommt noch früh genug, also keine Angst, wir sind nicht komplett weltfremd). Physiker machen das gerne: Sie "vernachlässigen" für Betrachtungen erstmal alles, was für das, was sie betrachten wollen nicht wichtig ist. An diesem Ort stellen wir uns nun einen Stein vor. Der Stein bewegt sich nicht, er hängt dort einfach in Ruhe ab. An dem Stein befindet sich ein unglaublich dünner aber extrem reißfester Draht, dessen anderes Ende wir in der Hand halten. Wenn wir jetzt kurz an dem Draht ziehen und ihn dann sofort wieder auslassen, so fängt der Stein an sich zu bewegen. Er hört aber nicht auf sich zu bewegen, sobald wir den Draht auslassen. Warum auch, es gibt ja keine Reibung die in bremsen könnte, es wirkt kein Luftwiderstand oder sonstwas. Der Stein fliegt jetzt mit konstanter Geschwindigkeit durchs Weltall. Wichtig dabei ist: Wir haben aufgehört an dem Draht zu ziehen, es wirkt also keine Kraft auf den Stein. Die Kraft hat nur gewirkt, als wir für einen kurzen Moment an dem Draht gezogen haben. Wenn euch das zu abstrakt ist, stellt euch einen zugefrorenen See vor. Ihr steht am Rand des Sees (am sicheren Ufer) und direkt vor euch auf dem See steht ein kleiner Würfel aus Aluminium. Das Eis auf dem See ist wahnsinnig rutschig. Jetzt gebt ihr dem Würfel einen kleinen Tritt. Er fängt an über den See zu gleiten und wird dabei immer langsamer (das ist die Schuld der Reibung, böse Reibung !). Je rutschiger ihr euch das Eis vorstellt, umso länger dauert es, bis der Würfel stehenbleibt. Stellt euch das Eis so rutschig vor, dass der Würfel auf die andere Seite des Sees kommt und dort anstößt, ohne auf dem Weg dorthin langsamer geworden zu sein. Der Würfel ist jetzt mit konstanter Geschwindigkeit über den See gerutscht. Je fester ihr ihn zu Anfang tretet, umso schneller kommt er auf der anderen Seite an. Der Tritt war jetzt sozusagen eine Kraft, die nur so lange gewirkt hat wie euer Schuh Kontakt mit dem Würfel hatte. Während der Würfel über den See gleitet, wirkt also keine Kraft auf ihn. Jetzt kommen die Realitätsfanatiker natürlich sofort mit dem Argument, dass das aber nur auf einer nichtmal wirklich existierenden Eisfläche funktioniert. Stimmt schon, eigentlich gibt es da nämlich noch die Reibung (da kommen wir später dazu -> Reibung ). Allerdings müsst ihr euch noch ein Weilchen gedulden, warum ihr recht habt und diese Methode trotzdem klappt erkläre ich im Kapitel "Freischneiden". Wir akzeptieren also erstmal, dass ein Objekt sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, wenn keine Kraft darauf wirkt. Aber was macht die Kraft denn dann ? Und jetzt wichtig, merken: Eine Kraft die auf ein Objekt wirkt hat immer eine Beschleunigung zur Folge (die kann natürlich auch negativ sein, also eine Bremsung). Der Würfel / Stein war ja in Ruhe (=hat sich nicht bewegt) als die Kraft begann zu wirken und hat sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit bewegt, als die Kraft aufgehört hat zu wirken. Die gesamte Geschwindigkeitsänderung passierte also als Ergebnis unserer Kraft. Wenn ihr das verstanden habt, dann habt ihr schon mal die halbe Miete im Sack. Also erstmal durchatmen und ein bisschen drüber nachdenken, wenn ihrs nicht verstanden habt: Nochmal lesen. Für die, dies ganz genau wissen wollen: Die Kraft, die auf ein Objekt wirkt, ist die Beschleunigung mal der Masse (was wir umgangssprachlich als Gewicht bezeichnen) des Objekts. Wenn wir also den Würfel so treten, dass er mit 5 m/s^2 beschleunigt wird und er wiegt 5 kg, dann haben wir eine Kraft von 5 m/s^2 * 5kg = 25 N (Newton) auf den Würfel wirken lassen. Oho, m/s^2 ? was ist denn eine Quadratsekunde ? Keine Angst, dass ist nur ein bisschen verplant geschrieben. Mit einer Quadratsekunde hat das nämlich wenig zu tun. Das kommt daher. Wenn wir etwas/uns/ein Auto beschleunigen, dann werden wir pro Sekunde um eine gewisse Geschwindigkeit schneller, z.B. um 5m/s pro Sekunde. Klingelts schon ? Falls nicht: (m/s) / s = m/(s*s) = m/s^2. Deswegen diese etwas seltsame Einheit. Die Kraft (F) ist also folglich die Beschleunigung(a) mal der Masse (m) und damit F=m*a.

Ab hier darf wieder jeder lesen:
Wir wissen jetzt also Bescheid: Wenn keine Kraft wirkt, dann ändert sich die Geschwindigkeit unseres Systems auch nicht (egal ob sie 0 oder 300 m/s ist).
Aber eine Frage stellt sich trotzdem noch: Warum ist es egal, ob keine Kraft oder mehrere Kräfte wirken ? Und hier kommen wir zurück auf unsere ursprüngliche Aussage: Die Statik beschäftigt sich mit Systemen, die sich im Gleichgewicht befinden. Im Gleichgewicht, das bedeutet, dass sich die Kräfte aufheben. Wie das geht ? Dafür treffen wir eine weitere Vereinbarung: Die Systeme die wir betrachten sind aus einem supertollen neuen Material, das sich nie verformt und das auch nie kaputt geht, egal wie stark wir drücken, ziehen, drehen etc. Man nennt das einen starren Körper. Und für die Realitätsfans: Auch diese Annahme nimmt später mal ein Ende und zwar bei der Festigkeitslehre. Vorerst ist aber alles was wir betrachten aus diesem tollen Material.
Stellen wir uns ein Seil aus diesem Material vor mit dem sich zwei genau gleich starke Studenten im Tauziehen messen. Die bewegen sich klarerweise kein Stück. Wenn aber noch ein weiterer Student an einem Ende zieht, dann ist das System aus dem Gleichgewicht, es fängt an sich zu bewegen. Nehmen wir mal an, der dritte Student hat keine Lust mehr und hört auf zu ziehen. Die beiden gleichstarken Studenten sind nun aber bereits in Bewegung, einer geht vorwärts, der andere rückwärts. Sie werden nicht langsamer oder schneller (der eine kann den anderen ja nicht bremsen, er ist ja nicht stärker als er, der andere kann aber auch nicht schneller werden, dafür mangelt es auch ihm an Kraft), sie bewegen sich mit der gleichen Geschwindigkeit weiter, das System ist also wieder im Gleichgewicht. Wer das nicht verstanden hat sollte sich doch mal den Basics Absatz oben durchlesen.

Und schon können wir den ersten Schluss ziehen: Da sich die Systeme in unseren Aufgaben immer im Gleichgewicht befinden steht jeder Kraft immer eine gleichgroße Kraft gegenüber, die in die entgegengesetzte Kraft zieht/drückt. Also jeder Student der auf der einen Seite zieht hat einen gleichstarken Studenten auf der anderen Seite zur Folge, der das gleiche macht. Natürlich gibt es Szenarien, in denen das nicht der Fall ist, aber die betrachten wir in Statik nicht, diese Probleme gehören zur Dynamik, das kommt in der allgemeinen Physikprüfung im zweiten Semester dran.

Wir sind uns nun also im großen und ganzen im Klaren darüber, was es bedeutet, dass wir nur im Gleichgewicht befindliche Systeme betrachten. Die einzelnen Folgen hierzu und welche Auswirkungen das für das Bearbeiten von Aufgaben hat, folgt im nächsten Kapitel.

Einführung

Dieser Blog richtet sich in erster Linie an Studenten des Wirtschaftsingenieurwesens an der Fakultät 09 der Hochschule München. Ich fasse hier Methoden und Praktiken zum Lösen der Übungsaufgaben zusammen und versuche die damit in Verbindung stehenden Unklarheiten zu beseitigen.

Ich selbst habe im Wintersemester 09/10 nach langem Leidensweg, den dieses Fach mir aufgegeben hat, Wochen in der Stabi damit verbracht, mir den Stoff anzueignen und mir ist dabei aufgefallen, dass manche Dinge unnötig kompliziert, wenn nicht sogar gar nicht erklärt werden. Hoffentlich kann diese Plattform möglichst vielen Studenten helfen, diese durchaus machbare Prüfung zu bestehen.

Kommentare und Anregungen zu den Themen sind jederzeit erwünscht und erbeten !


Der Autor